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Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten

Mein Name ist Jeannine Schulgen. Ich wurde 1993 in Düsseldorf geboren & studiere soziale Arbeit. Neben dem Studium arbeite ich in Teilzeit in einer Kindertagesstätte & absolviere zeitgleich meine staatliche Anerkennung in der Integrationsagentur der Diakonie Düsseldorf. Bereits in jungen Jahren war mir Ungerechtigkeit ein Dorn im Auge, weshalb die Arbeit in der Integrationsagentur für mich eine Herzensangelegenheit darstellt. Mit großer Freude habe ich festgestellt, dass die Kita, in der ich beschäftigt bin, bereits eine Menge guter Bücher hat, die viel Diversität zeigen. Dennoch hoffe ich, durch meine Arbeit hier dieses Repertoire aufstocken zu können, um so der nächsten Generation erfolgreich rassismuskritisches Denken vermitteln zu können.

Journalistin und Autorin Alice Hasters spricht in ihrem Buch „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ über ihre eigenen Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung. Das Fachbuch ist in fünf verschiedene Themenbereiche unterteilt: Alltag, Schule, Körper, Liebe und Familie. Punkt sechs bildet ein Glossar, in dem alle wichtigen Begriffe zum Thema aufgelistet sind.
Die Autorin erzählt von alltäglichen Mikroaggressionen und davon, wie sie zum ersten Mal Rassismus benennt; wie schwer es ihr fiel, ihn überhaupt anzusprechen und wie lange sie überlegte, ob sich ein Ansprechen überhaupt lohnt.

Denn ein Benennen von Rassismus kostet die Betroffenen viel Anstrengung und Nerven, da dies häufig eine Täter*innen-Opfer-Umkehr zur Folge hat. Sie erzählt detailreich, was in ihr vorgeht, wenn sie rassistisch angesprochen wird. Es wird thematisiert, wie schwer es insbe-sondere Schwarze Frauen haben, ernst genommen zu werden; vor allem, wenn sie wütend sind. Hasters geht auf die Wirkmächtigkeit der (größtenteils von Weißen gemachten) Medien ein und betont, wie wichtig es ist, dass BIPoC nicht (nur) als Token* vor der Kamera stehen, sondern selbst durch die Linse gucken, Skripte schreiben und somit weißen Menschen ihre Perspektive zeigen. So werden Schwarze Menschen nicht nur sichtbar, sondern so würden auch strukturelle Veränderungen hervorrufen.
Im Kontext Schule wird die fehlende Thematik Kolonialismus bemängelt. Schüler in Deutsch-land lernen wenig bis nichts über die von Deutschland angeordneten Genozide an den Völ-kern der Herero und der Nama; oder dass die ersten Konzentrationslager Anfang des 20. Jahrhunderts in Afrika entstanden. Generell wird über die Maafa nichts an deutschen Schulen gelehrt. Bekannte Philosophen wie Kant werden kritisiert, da auch sie maßgeblich zur Rassifi-zierung Schwarzer Menschen beitrugen. Die Autorin führt heutige humanitären Krisen und auch den Klimawandel zurück auf Ausbeutung, Industrialisierung und wirtschaftlichen Wachs-tum; Themen also, die heute wichtiger sind denn je.
Hasters erklärt den Begriff Stereotype Threat (die Angst von Mitgliedern einer sozialen Grup-pe, ihr Verhalten könnte ein negatives Stereotyp gegen diese Gruppe bestätigen) und das Machtverhältnis zwischen Schüler*innen und Lehrenden. Um kulturelle Aneignung, Minstrel-Charaktere und Blackfacing. Der Unterschied zwischen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wird ebenfalls dargelegt. Im Kapitel „Körper“ berichtet die Verfasserin, wie ihr ungefragt in die Haare gefasst wird, wie schwer es für Schwarze Personen in einem weiß geprägten Land ist, die richtige Haarpflege zu finden und warum so wenige Schwarze Frauen ihre Haare na-türlich tragen. Es wird erläutert, warum Freiwilligenarbeit problematisch ist und was das mit White Saviourism zu tun hat.
Abschließend erinnert Alice Hasters den Leser daran, dass Rassismus allgegenwärtig ist und auch nicht vor der Liebe Halt macht. Kommunikation sei wichtig, damit eine respektvolle und funktionierende Beziehung entstehen kann.

Durch die persönliche Note ist dieses Buch sehr zugänglich verfasst und regt zum Weiterle-sen an. Alice Hasters schafft es, ganz besonders durch ihre persönlichen Geschichten, beim Leser Empathie zu erzeugen und holt ihn ab auf eine rassismuskritische Reise ohne zu viel weiße Zerbrechlichkeit hervorzurufen: Dieses Buch ist ein perfekter Einstieg ins Thema.

*Token stammt vom englischen Wort ‚token’ und bedeutet Zeichen oder Symbol. Tokenism bezeichnet eine Praxis, bei der nur symbolisch Anstrengungen unternommen werden, um Mitglieder einer gesellschaftlich marginalisierten Gruppe (Frauen, Migranten, Homosexuelle, etc.) gleichzustellen (z. B. in Beruf, Politik und Kultur). In der Realität jedoch wird dem Groß-teil der marginalisierten Minderheit(en) die Gleichbehandlung mit der Mehrheitsgesellschaft vorenthalten, ihre wenigen formell gleichberechtigten Vertreter dienen als Tokens.