Religion und Weltanschauung

Aktuell ist das Thema Vielfalt von Religionen im Zusammenhang mit der Einwanderung gesellschaftlich relevant. Allerdings gibt es in Europa seit mehr als 2000 Jahren Stigmatisierung und Ausgrenzung auf Grund von Religionszugehörigkeit. Der christliche Glaube trat hegemonial und oftmals zerstörerisch gegenüber den nichtchristlichen Völkern Europas auf, Juden wurden auf Grund ihrer Religion zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten verfolgt bis zu ihrer massenhaften Vernichtung im Nazi-Deutschland. Protestant*innen und Katholik*innen grenzten sich oftmals gegenseitig aus, je nach regionaler Vormachtstellung. Heute herrscht in Deutschland das Selbstverständnis ein christlich geprägtes Land zu sein, das anderen Religionen Rechte gewährt. Die Religionsausübung wird nicht grundsätzlich aus dem öffentlichen Raum – wie etwa den Schulen – verbannt, wie dies in anderen säkularen Staaten der Fall ist. Gleichzeitig verlieren die großen Kirchen an Bedeutung und Mitgliedern, ihre innere Diversität wächst und es entstehen neue freichristliche oder orthodoxe Gemeinden. Nach der katholischen und evangelischen Kirche ist der Islam die drittgrößte Religionsgemeinschaft. Die Form ihrer gesellschaftlichen Institutionalisierung in Bereich der Universitäten, der schulischen Bildung, im Recht und in der Wohlfahrt wird in diesen Jahren verstärkt und natürlich kontrovers ausgehandelt. Gleichzeitig sind Muslim*innen in Deutschland besonders starker Stigmatisierung unterworfen. Insbesondere seit dem Anschlag auf das World Trade Center im Jahre 2001 in New York wird der Islam als rückschrittliche, frauenfeindliche, gewaltaffine und vor aufklärerische Glaubensrichtung stilisiert. Die Auswirkungen dieses Bildes sind im (pädagogischen) Alltag in Deutschland deutlich spürbar.

Das Verhältnis von Juden und Nicht-Juden in Deutschland ist nach dem Shoah, deren letzten Überlebende jetzt ein hohes Alter erreicht haben keineswegs entspannt. Einerseits hat in Deutschland eine breite geschichtliche Aufklärung stattgefunden und es wurden Erinnerungs- und Bildungsorte zum Shoah und dem jüdischen Leben in Deutschland geschaffen. Andererseits ist das jüdische Alltagsleben noch nicht selbstverständlicher Teil des Alltags in Deutschland. In den letzten Jahren hat die Zahl an antisemitischen Straftaten wieder zugenommen und Gemeinden müssen sich gegen Gewalt schützen.

Wir brauchen Medien für Kinder und Jugendliche, die die Heterogenität und Alltäglichkeit religiöser und weltanschaulicher Vielfalt erfahrbar machen. Neben der Information durch gute Sachbücher zum Thema sind auch Bilderbücher und Geschichten wichtig, die religiöse Vielfalt selbstverständlich und beiläufig einbeziehen. Vielfalt ist durch Begriffe wie „hellal“, „koscher“, „Haram“ „namaste“ längst präsent. Der Umgang mit unterschiedlichen Vorstellungen von Werten, guten Verhaltensweisen, Essensvorschriften etc. ist Realität in unserem Alltag, kommt aber in Bild und Text selten vor. Dabei ist es ein Anspruch von Literatur, gesellschaftlich relevant zu sein. Wir plädieren dafür, unaufgeregt und kreativ gesellschaftliche Entwicklungen zu spiegeln und damit Kinder- und Jugendlichen Halt zu bieten und produktiv Verhandlungsstrategien aufzuzeigen. Wo finden Kinder und Jugendliche Vorbilder in den Medien, die religiöse Vielfalt und die Vielfalt von Haltungen und Weltanschauungen erfahrbar machen und aufzeigen,

  • wie Kinder und Jugendliche ihre eigenen Positionen  und Rechte friedlich und dennoch wirkungsvoll vertreten können
  • Wie sie Aushandlungsprozesse in verschiedenen Situationen gestalten können
  • Wie stark das Gemeinsame ist zwischen Menschen unterschiedlicher Weltanschauung oder Religion
  • wie ich Einstellungen und Haltungen wertschätzen kann, auch wenn ich sie nicht teile.

Wir brauchen mehr Geschichten des Lebensalltags, in denen Menschen konstruktiv und friedlich ihre Interessen und Werthaltungen aushandeln.