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Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche

Mein Name ist Jeannine Schulgen. Ich wurde 1993 in Düsseldorf geboren & studiere soziale Arbeit. Neben dem Studium arbeite ich in Teilzeit in einer Kindertagesstätte & absolviere zeitgleich meine staatliche Anerkennung in der Integrationsagentur der Diakonie Düsseldorf. Bereits in jungen Jahren war mir Ungerechtigkeit ein Dorn im Auge, weshalb die Arbeit in der Integrationsagentur für mich eine Herzensangelegenheit darstellt. Mit großer Freude habe ich festgestellt, dass die Kita, in der ich beschäftigt bin, bereits eine Menge guter Bücher hat, die viel Diversität zeigen. Dennoch hoffe ich, durch meine Arbeit hier dieses Repertoire aufstocken zu können, um so der nächsten Generation erfolgreich rassismuskritisches Denken vermitteln zu können.

Reni Eddo-Lodge gibt in ihrem Buch „Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche“ interessante Einblicke in die rassistischen Strukturen Großbritanniens. In sieben Kapiteln erläutert sie die verschiedenen Dimensionen von Rassismus u. a. von der Geschichte des Rassismus, dem rassistischen System, White Privilege, der Angst mancher Weißen vor dem ‚Schwarzen Planeten‘, (Schwarzem) Feminismus und was die Hautfarbe mit der sozialen Klasse zu tun hat.

Das Kapitel ‚Geschichte‘ befasst sich insbesondere mit der Entrechtung und Ausbeutung Schwarzer Menschen* und wie mit den rekrutierten afrikanischen, karibischen und indischen Soldaten während und auch nach dem 1. und 2. Weltkrieg umgegangen wurde

In den darauffolgenden Jahren kam es zu vielen Gesetzesänderungen; einige, die Schwarzen Menschen mehr Rechte zusicherten oder einige, die ihnen diese gerade erst zugesicherten Rechte wieder absprachen. Das Kapitel beschäftigt sich mit dem Rassismus innerhalb der Polizei (schon während der Ausbildung) und darum mit welcher Brutalität die Polizei auch noch Mitte der 1980er Jahre gegen unschuldige Schwarze Menschen vorging.
Das Kapitel ‚System‘ dreht sich ganz um strukturellen Rassismus. Der Mord an Stephen Lawrence wird beleuchtet und das damit zusammenhängende polizeiliche Versagen. Es geht um Chancengleichheit und die Problematik von antischwarzem Rassismus.
In ‚White Privilege‘ werden die Privilegien der weißen Bevölkerung unter die Lupe genommen. Der Unterschied zwischen Rassismus und Vorurteil wird erklärt. Die Autorin gibt Eltern unterschiedlicher Hautfarbe wertvolle Tipps an die Hand und ermuntert insbesondere den weißen Part, sich seinem Kind zuliebe auf eine rassismuskritische Reise zu begeben. Sie erläutert, was die ‚weiße Opferrolle‘ ist, wie man sie erkennt und welche Funktion sie hat.
‚Die Angst vor dem Schwarzen Planeten‘ beschäftigt sich mit eben dieser Thematik: der Angst, mancher Weißer, irgendwann selbst zur Minderheit zu zählen und gesellschaftliche Nachteile zu erfahren. Nick Griffin, ehemaliger Vorsitzender der rechtsextremen British National Party, wird zu diesem Thema interviewt. Die Autorin erzählt von der ‚Rhodes must fall‘-Bewegung, bei der Studierende der Oxford University die Entfernung einer Statue von Cecil Rhodes, einem kolonialen Geschäftsmann und für viele Leute Begründer der südafrikanischen Apartheid, forderten.

Das Kapitel ‚Die Feminismusfrage‘ befasst sich damit, warum Feminismus kein rassismusfreier Raum ist und mit welchen Hürden Schwarze Feministinnen in weißen Kreisen zu kämpfen haben (Stichwort: Intersektionalität). Westliche Schönheitsideale werden thematisiert, sowie die Tatsache, dass Misogynie nicht aus Multikulturalismus resultiert, sondern auch in Zentraleuropa von diversen Bürger*innen mehr oder weniger verdeckt ausgelebt wird.

In ‚Hautfarbe und soziale Lage‘ wird das Zusammenspiel von Rassismus und Klassismus näher beleuchtet. Reni Eddo-Lodge betont, dass Hautfarbe und Klasse nicht unabhängig voneinander zu betrachten sind, sondern miteinander korrelieren; unterstrichen wird diese Aussage durch eine dargelegte Studie der BBC und die nähere Beleuchtung eines Bauprojekts der Stadt London im Stadtteil Haringey, dass durch den Bau von Luxus- und Eigentumswohnungen die finanziell schwächere Schwarze Bevölkerung aus eben diesem Stadtteil zu vertreiben suchte.
Das letzte Kapitel widmet sich der fehlenden Gerechtigkeit gegenüber PoC und wie Terroranschläge in unterschiedlichen Teilen der Welt aufgenommen werden (hierzu vergleicht sie die Betroffenheit der weißen Mehrheitsgesellschaft zu den Anschlägen in Paris, Frankreich und Garissa, Kenia aus dem Jahr 2015).

Reni Eddo-Lodge vermittelt ihr Wissen und die Ergebnisse der von ihr untersuchten Studien auf interessante Weise und in angenehmer Sprache. Dadurch macht sie anschaulich, wie ähnlich die Verhältnisse in Deutschland und im Vereinigten Königreich für Migrant*innen und PoC sind.

* Wir verzichten bewusst auf die Bezeichnung Sklave: „‘[W]as für ein Menschheitszustand ist das überhaupt – Sklave?‘, fragt der nigerianische Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka 1999 in seinem Werk The Burden of Memory, the Muse of Forgiveness, und antwortet: ‚Verweigerung‘. ‚Was aber heißt es‘, fragt er weiter, ‚einem Menschen das Menschsein zu verweigern?‘ und resümiert: ‚Sklave bedeutet eine Verweigerung der Freiheit des Handelns, der Freiheit der Wahl, Leibeigenschaft, sei es des Körpers oder des menschlichen Willens.“

aus: Arndt & Ofuatey-Alazard (2015): (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. Münster: Unrast Verlag. S. 519f.